Karl Friedrich Wilhelm Wander
und das „Deutsches Sprichwörter Lexikon“
Karl Friedrich Wilhelm Wander hat zwischen den Jahren 1867 und 1880 sein fünfbändiges „Deutsches Sprichwörter Lexikon“ veröffentlicht. Über 30 Jahre hat er dafür Sprichwörter gesammelt. Im Deutsches Sprichwörter Lexikon sind ca. 225.000 deutsche Sprichwörter und Redensarten und ca. 60.000 Sprichwörter aus verschiedensten Fremdsprachen. Eine Arbeit eines Einzelnen, ohne die heute möglichen Hilfsmittel, eine einmalige und unvergleichbare Leistung, die man nicht überschätzen kann.
Wer aber meint, ein deutsches Sprichwort zu haben, weil es auch bei Wander im Lexikon steht, hat trotzdem nicht sicher eins, es kann auch falsch sein. Wander selbst schreibt im Vorwort zum 1. Band des Deutsches Sprichwörter Lexikon, das es auch Fehler enthält oder Quellenangaben verloren gingen. Die Quellenangaben sind tatsächlich teilweise falsch oder fehlen vielfach ganz. Erst wenn man ein Sprichwort in den Quellen Wanders wiedergefunden hat, kann man sich über Herkunft und Nationalität sicher sein.
Ein Freund Wanders wurde wegen angeblicher kommunistischer Umtriebe verhaftet und in Wanders Wohnung fand 1845 wegen angenommener Unterstützung eine Hausdurchsuchung statt. 1853 fand eine weitere Haussuchung bei ihm statt. Seine Vergehen: Er war Lehrer und hatte eine Lehrervereinigung gegründet. Er forderte mehr Selbstbestimmung für die Lehrer, er hatte mehrfach kritische Aufsätze und Bücher über die Schule veröffentlicht und er forderte die staatliche Aufsicht über die Schulen mit Abschaffung der Kirchlichen, unter der das Schulwesen stand. Er befürwortete nicht den Schulmeister alter Prägung, der nur notwendiges Wissen beibrachte und gehorsame Untertanen produzierte, er forderte einen neuen Lehrer, der freie und mitdenkende Bürger mit Selbstverantwortung erzog. Alles zusammen für Kirche und herrschende Obrigkeit revolutionär und unhaltbar für einen Lehrer. Deswegen wurde er 1849 endgültig aus dem Schuldienst entlassen. Durch die Haussuchungen und Umzüge verlor er ein Heft mit Quellenangaben, was zu fehlenden Quellen im Sprichwörterlexikon führte.
Außerdem hatte er 1831/32 unter dem Titel Scheidemünze neue Sprichwörter herausgegeben, das heißt, von ihm erdachte und Sprichwörtern nachempfunden Sprüche. Auch diese fanden Eingang ins Sprichwörterlexikon. Das brachte ihm den Vorwurf, sich die Sprichwörter teilweise auszudenken. Andere Sprichwörter habe er selbst vernommen oder sie wurden ihm als solche übergeben, teilweise ohne Quellen oder Herkunftsangabe. Etliche stammen aus der Literatur, die er an Form und Gepräge des Ausspruchs erkannt haben will, was nicht jedermanns Sache ist, wie er meint. Dazu gehört die erforderliche Aufmerksamkeit und ein für diesen Zweck gebildetes Sprachgefühl, das sogenannte Sprichwörterohr, das er seinen Angaben nach besitzt, viele andere aber nicht. Wenn sein Sprichwörter-Instinkt etwas zum Sprichwort erklärt hatte, war eine weitere Überprüfung nicht notwendig. Der im Lexikon vorhandene Quellennachweis war für ihn ausreichend.
Quellen: Vorrede im 1. Band des „Deutschen Sprichwörter Lexikons“.
Nachwort im 5. Band des „Deutschen Sprichwörter Lexikons“.Beispiele für Fehler im Deutschen Sprichwörter Lexikon:Als Quelle für die Ägyptischen Sprichwörter benutzte Wander das Buch „Arabische Sprüchwörter oder die Sitten und Gebräuche der neueren Aegyptier erklärt aus den zu Kairo umlaufenden Sprüchwörtern übersetzt und erläutert von Johann Ludwig Burckhardt“ aus dem Jahr 1834. In diesem Buch sind 782 Ägyptische Sprichwörter enthalten. Bei Wander findet man aber nur 696 Mal die Quellenangabe Burckhardt und nur 155 Mal den Hinweis auf Ägypten. Die übrigen Ägyptischen Sprichwörter scheinen bei ihm fälschlicherweise „deutsche Sprichwörter“ zu sein. Ähnliches gilt auch für andere Quellen Wanders aus anderen Ländern.
Bei über 4000 Sprichwörtern gibt Wander z. B. Dr. Phil. Julius Altmann an, der 1853-1855 in einigen Zeitschriften Sprichwörter aus Russland, Bulgarien und von den Tataren veröffentlichte, die er dort auf Reisen sammelte. Auch sie sind in Wanders Sprichwörterlexikon enthalten, aber oft ohne den Hinweis auf Russland oder Bulgarien. Wer später von Wander abgeschrieben hat, machte möglicherweise fälschlicherweise aus Mangel am Hinweis aus einem fremden, ein deutsches Sprichwort.
Etliche fremde Sprichwörter erhielten schon ohne vergleichbares deutsches Sprichwort eigene Nummern. Es sollten spätere deutsche Funde eingefügt werden, was aber unterblieb. Aus Ermangelung entsprechender deutscher Sprichwörter und verlorener Quellen wurde daraus später ein deutsches Sprichwort ohne Quellenangabe.
Mehrfach stehen Sprichwörter in Mundart mit Hinweis auf die hochdeutschen Varianten, oder umgekehrt, oder beide oder mehrere verschiedene Mundarten als verschiedene Sprichwörter im Sprichwörter Lexikon.
Dass ein Sprichwort von einem Bayern, Hessen, Sachsen oder anderem Deutschen in seiner ihm eigenen Mundart ausgesprochen wird, macht aus einem Sprichwort auch heute noch kein weiteres neues Sprichwort. Ebenso das Umstellen einzelner Wörter, falsches Abschreiben, übersetzen oder weglassen oder verlieren von Quellen. Schon nach Druck der ersten zwei Bände gab es deswegen begründete Kritik eines anderen Sprichwörtersammlers, Otto Freiherr von Reinsberg, der auch auf einen Kommentar im Vorwort der Sammlung von Wilhelm Körte (1837) hinwies. Wanders Antwort darauf steht im Vorwort des 3. Bandes des Sprichwörter Lexikons. Leider waren die gegenseitigen Kritiken von Otto Freiherr von Reinsberg und K. F. W. Wander in deren Veröffentlichungen vorwiegend persönlicher Natur und brachten auf keiner Seite eine Verbesserung ihrer Arbeiten. Im Internet nachzulesen in den Vorworten von Wanders Sprichwörter Lexikon und:
http://brema.suub.uni-bremen.de/ . . Reinsberg
Beispiel:„Schreib a X fer a U, su kimmste der Rechnung zu.“ steht als Schlesisches Sprichwort im 5. Band in Spalte 477 unter X, Nr.4 mit dem Hinweis der hochdeutschen Version bei Simrock Nr.11951. Die hochdeutsche Version wie bei Simrock:
„Schreib ein X für ein U, so kommst du mit der Rechnung zu.“ steht im 4. Band in Spalte 335 unter Schreiben (Verb.), Nr.21 ohne Quellenangabe. So werden aus einem zwei Sprichwörter und wird einem bei Wander ein X für ein U vorgemacht.
Wenn dann fast wortgleich
„Wer ein X schreibt für ein V, kompt in der Welt am besten zu.“ im 5. Band in Spalte 477 unter X, Nr.5 (Quelle bei Petri im anderen Teil) und
„Wen der wirth schreibt ein X vor ein V, so kombt er seiner rechnung zu.“ im 5. Band in Spalte 283 unter Wirth, Nr.124 (Quelle bei Lehmann Seite 923, Nr.22) dazukommen gibt es immer mehr Varianten, die als einzelne Sprichwörter aufgeführt werden.
Weitere Beispiele auf einigen Seiten im Text. Aus diesem Grund ist das Deutsche Sprichwörter Lexikon als primäre Quelle oder Beweis für ein deutsches Sprichwort nur bedingt geeignet - vielmehr hat es nur einen Wert als Hinweisgeber für die weitere Suche nach der wirklichen Quelle.
Aus einem Gutachten von Dr. Karl Rosenkranz, Rath 1. Klasse und ordentlicher Professor an der Königlichen Universität zu Königsberg zur Sprichwörtersammlung „Preussische Sprichwörter“ von H. Frischbier aus dem Jahr 1864 in der 2. Auflage 1865, Seite 320:
„Sprichwörter erfindet man nicht, sondern man findet sie.“
Leider hat Wander in seinem Deutschen Sprichwörter Lexikon zu viel erfunden. Auf dieser Website sind mehrere Hundert deutsche Sprichwörter mit I dagegen in den originalen Quellen vorhanden, ebenso wie alle anderen Sprichwörter aus Deutschland von A bis Z. Wenn hier trotzdem besondere, wichtige, neue oder häufige Sprichwörter aus Deutschland fehlen sollten, bitte eine Nachricht mit Quellenangabe/Fundort an die E-Mail Adresse auf der Seite Kontakt.
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